Stille im außen, (Un)Ruhe in mir und Hoffnung
Vielleicht hast Du Dich bereits gefragt, warum es momentan bei mir so still geworden ist, bzw. stiller als normal. Keine Lives (ja, das war eh nur selten, aber immerhin ab und zu), keine Videos, nur Postings. Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich mich damit vertraut mache, dass es Dinge gibt, die ich nicht ändern kann und das bedeutet für mich, dass ich mich nun „outen“ sollte.
Meine OP Ende April
Ich wurde an der Halswirbelsäule operiert. Mir wurden Bandscheiben entfernt und dafür Prothesen eingesetzt. Ja, kann sein, dass ich jetzt am Flughafen piepse 😆
Was wurde eigentlich wie gemacht?
Um zu der Stelle zu gelangen, wurde mir vorne am Hals ein Schnitt gesetzt. Der Orthopäde ist durch eine bereits vorhandene Narbe (von meiner Schilddrüsen-Entfernung) gegangen.
Warum man nicht von hinten da rangeht? Weil es dort zu gefährlich ist wegen der Nerven. Also wird die OP von vorne gemacht.
Das bedeutet, nachdem der Schnitt gemacht ist, wird die Luftröhre, die Stimmbänder und was da sonst noch so im Weg ist, „weg geklemmt“, damit das eben nicht stört. Dann wurden in 3 Wirbeln kleine Löcher gebohrt und Schrauben eingesetzt. Danach wurde an diesen Schrauben „gezogen“, die kaputte Bandscheibe entfernt und eine tolle Titan-Prothese eingesetzt, die Schrauben wieder entfernt und dann noch Nerven wieder gerade gezogen, vorne zugenäht, fertig.
Klingt spektakulär, hat aber alles nur 70 Minuten gedauert.
Was echt richtig blöd war
Was allerdings wirklich blöd war, dass ganze „Gedönse“ vor der OP. Also morgens ab ins Krankenhaus, natürlich ohne Begleitung. Dann die sexy OP-Klamotten anziehen, Stäbchen für den Corona-Test einmal durchs Gehirn ziehen lassen. Ob sinnvoll oder nicht lass ich mal dahingestellt. Bis das Ergebnis da ist, liege ich bereits auf dem OP-Tisch und was wenn er dann positiv sein sollte? Lassen die dann den „Hammer“ fallen und hören mittendrin auf?
Nun gut, ich durfte dann in meinem Bett warten und wurde dann von jemand ganz netten einmal durchs Krankenhaus geschoben in den Vorraum und für die OP „fertig gemacht“. Das trifft es dann in der Tat sehr genau.
Denn bereits im Narkose-Vorgespräch wies ich auf die Problematik hin, dass man bei mir NIE eine Vene findet, sobald ich im OP Vorraum bin und das sehr mühselig ist. Ob man den Zugang nicht vorher schon legen könne. Ein Blick vom Narkose-Arzt auf meine Venen: „Ach, nicht nötig, ihre Venen sind wunderbar.“ Meine Antwort darauf: „Ihr Wort ins Gottes Gehörgang, sie wären der erste, der das schafft.“
Als Info: Ich habe bereits ein paar OPs hinter mir und weiß tatsächlich, wovon ich da rede.
Nun lag ich da, natürlich etwas aufgeregt vor diesem Eingriff. Zwei nette Leute bei mir, die mich mit quatschen etwas abgelenkt haben, nachdem besprochen wurde, von welchem Mittelchen ich wieviel bekommen soll und so weiter. Und dann gings los: Mission Zugang legen!
Der eine schaute sich meine Venen an und meinte: „Oh, die kann man gut erkennen, das geht gleich fix.“ Und ich: „Öhm, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.“ Er hat nach zwei missglückten Versuchen dann seinen Kollegen geholt. Nachdem Versuch Nr. 3 ebenfalls keinen Erfolg brachte, lag ich mit zwei ausgestreckten Armen auf meinem Bett und wurde links und rechts gestochen ohne Ende.
Kleine Info am Rande: Ich hasse Spritzen!
Ich wurde logischerweise immer nervöser. Mittlerweile hat sich der OP-Start schon um 20 Minuten verzögert.
Als ich dann kurz davor war emotional zusammen zu brechen sagte der Narkose-Arzt: „Wir machen das jetzt anders. Ich lege den Zugang jetzt an einer Stelle, die tut leider sehr weh. Sobald sie aber schlafen, ändern wir den Zugang.“
Ich war einverstanden, weil ich echt nicht mehr konnte. Und schwups, jaaaaaaaaaa, tat sauweh, hat geblutet wie hulle, dafür war ich dann endlich rasch im Traumland.
Das Aufwachen nach der OP
Als ich ins Traumland ging, lief ich gedanklich am Strand entlang. Aber als ich aufwachte, wachte ich in absoluter Panik auf. Ich hatte irgendwas krasses geträumt und bin hoch geschreckt.
Alles kam zu mir gelaufen und ich brauchte einen Moment um zu verstehen, wo ich war und dass ich die OP überlebt hatte. Alles fein, der Puls ging wieder runter. Ich bekam netterweise direkt was gegen Schmerzen gespritzt und einen vollen Becher Wasser.
Ich dachte noch: Oh wow, da hat sich ja einiges getan in den letzten Jahren. Denn sonst musste ich nach meinen OPs immer betteln und hab wirklich nur schlückchenweise Wasser oder Tee bekommen.
Im Zimmer angekommen erst mal der Familie und Freunden Bescheid gegeben, dass ich die OP überstanden habe.
Der Rest meines 4-tägigen Krankenhaus-Aufenthaltes war in Ordnung. Ich war bissl schwach, hatte im Schulter-Nacken-Bereich den krassesten Muskelkater meines Lebens, war total heiser und ganz schlecht mit der Luft. Aber alles im normalen Rahmen gewesen.
Meine Genesung
Daheim konnte ich endlich wieder gut schlafen. Zu Hause im eigenen Bett schläft es sich nun mal am besten!
Mein Schulter-/Nacken-Bereich
Ein Kontroll-Termin beim Arzt hat gezeigt, dass die Prothesen gut sitzen und meine Physio begann. Hier dauerte es ein wenig, aber langsam nach und nach stellten sich erste Fortschritte ein. Zu Hause habe ich mit viel Dehnübungen und Wärme gearbeitet.
Und was an dieser Stelle das muskuläre angeht, bin ich fast wieder bei 100%. Hier gehts stetig aufwärts und das freut mich sehr.
Meine Stimme und die Luftnot
Meine Heiserkeit und meine Luftnot, die ich seit der OP hatte, haben mich aber nicht los gelassen. Ich habe häufig richtig heftig Luft holen müssen, wenn ich mal ein paar Sätze gesprochen habe. Ich konnte teilweise nicht mal einen ganzen Satz sprechen ohne extrem nach Luft zu schnappen. Von körperlicher Anstrengung wie normales Treppen steigen mal ganz zu schweigen.
Also ab zum HNO-Arzt. Dort habe ich kurz berichtet, dann wurde mir so ein komisches langes dünnes Teil durch die Nase bis in den Rachen geschoben. Ich durfte ganz entspannt weiter atmen und dann aaaaaaaaaa und iiiiiiiiii sagen. Der Arzt zog das Teil wieder aus mir heraus und dann das Ergebnis: linksseitige Stimmbandlähmung.
Bääääääm!
Kann bei solchen OPs bedingt durch die Quetschung vorkommen, geht normal von allein wieder weg. Bei mir nicht. Sofort habe ich Logopädie verschrieben bekommen. Seitdem wird es besser, aber ich bin noch weit entfernt von meiner normalen Stimme. Ob sie je wieder ganz normal wird, bleibt abzuwarten. Nach 12 (!!!) Monaten kann man sagen, dass die Stimme so bleibt, wie sie dann ist. Auch kann es sein, dass alles bleibt wie es ist.
Bei der Atmung bewegen sich die Stimmbänder und machen Platz für die zwischen ihnen liegende Luftröhre. Da sich nun nur noch eine Seite bewegt, kommt gefühlt nicht mehr die ganze Luft dadurch. Das verursacht also meine Luftnot.
Diese Information hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Dann kann ich keine Entspannung mehr anbieten und Sport, zumindest Karate geht auch nicht mehr… Katastropheeeeeeeeeeeeeeeee!!!!
Meine Emotionen
Ja, für mich hieß es im ersten Moment: ich kann all das, was ich liebe, nicht mehr tun. Absolutes Drama in meinem Kopf. Ich war natürlich traurig, habe geweint und über den Sinn des Lebens nachgedacht. Ich bin generell ein positiver Mensch, hier habe ich aber in der Tat ein paar Tage gebraucht, um damit klar zu kommen.
Nun, nach einigen logopädischen Sitzungen und den ersten Reizstrom-Therapien hat sich meine Stimme verbessert. Sie ist bereits kräftiger geworden und nicht mehr so piepsig. Die Luftnot ist beim Sprechen nur noch selten da.
So richtig aus vollem Hals lachen oder eben weinen, kann ich hingegen leider nicht. Das macht mich traurig, denn ich lache unglaublich gerne!
Beim Sport ist es für mich nach wie vor schwierig. Ich mache soweit alles mit, was körperlich geht. Da gehört auch viel Selbstdisziplin zu. Aufhören, BEVOR ich hyperventiliere. Schwierig, weil ich ja möchte. Da darf ich mich in Geduld üben. Ja, denn die habe ich nicht in die Wiege gelegt bekommen 😆
Und immer wieder beschäftige ich mich natürlich mit den Gedanken: Was ist, wenn es so bleibt? Aber das nutzt nichts. Wenn es so bleibt, muss ich damit leben. Ich tue natürlich einiges dafür, um meine Stimme, meine Atmung zu stärken und zu trainieren. Fortschritte sind da. Es ist aber eben alles sehr mühselig und langwierig.
Mein Fazit und die Aussichten
Ich bereue die Operation nicht. Denn für das, was sie bringen sollte, bemerke ich bereits die ersten Erfolge!
Aktuell befinde ich mich jedoch noch im Krankenstand. Ich hoffe, möglichst bald wieder arbeiten zu können und zu dürfen!
Es wird nicht leicht werden, aber ich werde es schaffen. Meine Stimme ist anders, aber deswegen nicht schlechter. Ich brauche mehr Pausen, aber die eignen sich in der Entspannung doch optimal! Alles ist möglich und von daher bin und bleibe ich positiv, auch wenn ich noch einen weiten Weg vor mir habe.
Ich hoffe, Ihr habt noch ein bißchen Geduld mit mir und bleibt weiterhin an meiner Seite.
Liebi Tanja
Danke für deinen ehrlichen Blogartikel. Ich wünsche Dir, dass alles so kommt, wie du es dir wünschst oder noch besser!
Herzliche Grüessli Jeannine